Ein schwieriger Weg zur Aktualisierung des polnischen Systems des „gerechten Ausgleichs“ für die private Vervielfältigung von Werken
Das System zur Entschädigung von Urhebern und anderen Rechteinhabern für die Anfertigung von Kopien von Werken für den privaten Gebrauch basiert in Polen auf Gebühren für Geräte oder Medien, die zu diesem Zweck verwendet werden. Urheber und Verwertungsgesellschaften weisen jedoch seit vielen Jahren darauf hin, dass die in Polen praktizierte Lösung mit dem EU-Recht unvereinbar ist, da die auf diese Weise erzielte Vergütung äußerst niedrig ist und somit nicht die Voraussetzungen für einen „gerechten Ausgleich“ erfüllt. Denn die Gebühren werden in Polen für Geräte und Medien erhoben, die nicht mehr gehandelt werden oder nur noch einen geringen Marktanteil haben.
Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG[1] sieht vor, dass natürliche Personen die Möglichkeit haben, vervielfältigte Werke zum privaten Gebrauch und für nichtkommerzielle Zwecke zu nutzen. Voraussetzung dafür, dass ein Mitgliedstaat eine solche Ausnahme oder Beschränkung des Vervielfältigungsrechts anwendet, ist, dass er den Rechtsinhabern gleichzeitig einen „gerechten Ausgleich“ für die betreffenden Werke oder geschützten Gegenstände gewährt. Nach der Rechtsprechung des EuGH sollte der „gerechte Ausgleich“ anhand des Kriteriums des Schadens berechnet werden, der den Urhebern geschützter Werke durch die Einführung der Ausnahme für Kopien zum privaten Gebrauch entstanden ist[2].
Das polnische Recht sieht die Einführung einer erlaubten privaten Nutzung[3]sowie eine begleitende Entschädigung in Form von Abgaben vor, die von den Produzenten und Importeuren auf den Wert des Verkaufs von Geräten und Leerträgern, die zur Vervielfältigung von Werken verwendet werden können, erhoben werden[4]. Die Kategorien von Geräten und Leerträgern sowie die Höhe der Gebühren werden vom für Kultur und Nationales Erbe zuständigen Minister in Form einer Durchführungsverordnung festgelegt.
In der aktuellen Verordnung[5] werden unter anderem Videorekorder, Videokassettenspieler mit Aufnahmefunktion, Fernsehgeräte mit Videorekorder oder DVD-Rekorder, VHS-, VHS/D-Kassetten, HD DVD-R und DVD-RAM-Discs, die derzeit keine oder nur eine geringe Marktrelevanz haben, als gebührenpflichtige Geräte und Träger aufgeführt. Gängige Geräte und Träger wie Smartphones, Laptops, Tablets und Speichersticks sind in dieser Liste jedoch nicht erfasst.
Auf dieses Problem hat der Minister für Kultur und Nationales Erbe selbst hingewiesen und einen Vorschlag zur Änderung der bestehenden Entschädigungsregelungen in einem Gesetzentwurf über die Rechte von Berufskünstlern unterbreitet[6]. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es: „In den meisten europäischen Ländern wird die Abgabe auf moderne Geräte (Computer, Tablets, Smartphones) und Speichermedien (Festplatten, Speichersticks) erhoben (…), so dass sich beispielsweise in Deutschland allein die Einnahmen aus der Abgabe auf Audio-Video-Geräte und Leerträger auf mehr als 330 Millionen EUR pro Jahr belaufen. In Polen gilt eine analoge Abgabe insbesondere für Tonbandgeräte und Videorekorder mit jährlichen Einnahmen von weniger als 1,7 Mio., Tendenz fallend (…)“.
Da die Arbeiten an den oben genannten Gesetzentwürfen nicht abgeschlossen werden konnten, hat die Organisation zur kollektiven Verwaltung von Rechten an audiovisuellen Werken – der Verband der polnischen Filmemacher – beschlossen, Mitte Oktober dieses Jahres beim Landgericht in Warschau, bei der für Rechtssachen im Zusammenhang mit geistigem Eigentum zuständigen Abteilung, eine Klage gegen den Fiskus auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von mehr als 400.000.000 PLN als Entschädigung für die fehlende Umsetzung der sich aus Art. 5 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG ergebenden Verpflichtung zur Gewährung eines „gerechten Ausgleichs“ im polnischen Recht einzureichen. Der Ausgang dieses Prozesses könnte sich im Kampf der Urheber und ihrer Rechtsnachfolger sowie der sie vertretenden Verwertungsgesellschaften um einen „gerechten Ausgleich“ sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft als bedeutsam erweisen.
[1] Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ( ABl. L von 2001 Nr. 167, Pos. 10, in der jeweils geltenden Fassung),
[2] Vgl. Urteil des EuGH vom 21.10.2010, C-467/08, PADAWAN SL gegen SOCIEDAD GENERAL DE AUTORES Y EDITORES DE ESPAÑA (SGAE), ZOTSiS 2010, Nr. 10B, Position I-10055.
[3] Vgl. Art. 23 des Gesetzes vom 4. Februar 1994 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte ( GBl. von 2022, Pos. 2509), im Folgenden „Urheberrecht“.
[4] Vgl. Art. 20 Urheberrecht.
[5] Verordnung des Ministers für Kultur vom 2. Juni 2003 über die Festlegung von Kategorien von Geräten und Trägern, die zur Aufzeichnung von Werken verwendet werden, und von Gebühren für den Verkauf solcher Geräte und Träger durch Produzenten und Importeure ( GBl. 105, Pos. 991 in der jeweils geltenden Fassung)
[6] Gesetzentwurf über die Rechte des Berufskünstlers, UD208. Ein Verordnungsentwurf mit einer Liste der gebührenpflichtigen Geräte- und Trägertypen und der Höhe der Gebühren wurde ebenfalls zusammen mit dem Gesetzentwurf über die Rechte des Berufskünstlers vorgelegt.